Am Nachmittag des 01.11.2016 erreichen wir die Grenze zu Bosnien und Herzegowina. An der Grenzkontrolle bekommt Olga ihren ersten Stempel in den Reisepass und wir realisieren mal wieder, wie weit wir mittlerweile schon gefahren sind. Bosnien und Herzegowina ist das 12. Land auf unserer Reise und wir sind bisher schon knapp 8000 Kilometer unterwegs.
Die Autofahrer grüßen uns schon fast überschwänglich während wir mit unseren Rädern die Landstraße hinter der Grenze entlang fahren. Darüber freuen wir uns sehr und wir erhoffen uns nette Begegnungen in diesem, uns fast unbekannten, Land!
Es fängt wunderschön an!
Nur ein kleines Stückchen hinter der Grenze liegt der See Buško jezero. Wir haben schon vor ein paar Tagen beschlossen, dort aufjedenfall hinzufahren. Also fahren wir nach ein paar Kilometern von der Hauptstrasse runter und finden über ein paar Wege und durch Wälder schließlich zu den menschenleeren Ufern des Sees. Auf dem Weg halten wir noch bei einem Haus an um nach Trinkwasser zu fragen. Olga klingelt und nach ein paar Verständigungsschwierigkeiten füllt uns die junge Frau Wasser ab – überglücklich, dass sie uns helfen konnte! Wir verabschieden uns ebenso glücklich und fahren weiter zum See.
Wir sind überwältigt von der Schönheit und schlagen unser Zelt dicht am Ufer auf dem Sandstrand auf. Zum Abendessen kochen wir uns einen Eintopf und genießen dazu eine erstaunlich günstige Dose Bier von der Tankstelle. Einen besseren Start können wir uns kaum vorstellen 🙂 .
Der nächste Tag beginnt mit einer langen Bergauffahrt Richtung Tomislavgrad. Die Autofahrer grüßen weiterhin sehr freundlich und fahren vorsichtig an uns vorbei. Zusammen mit den tollen Landschaften fühlen wir uns sehr wohl und irgendwann kommen wir auf der Bergspitze an. Jetzt sind wir auf einer Hochebene, auf der wir nun gemütlich durch kleine Dörfer, vorbei an alten Bauernhöfen und durch wunderschöne Landschaften weiter fahren. Mittags schauen wir nach dem Wetter und sehen, dass für die Nacht und für Morgen Regen angesagt ist. Daher halten wir Ausschau nach einem passenden Unterschlupf und irgendwann finden wir am Straßenrand eine Ruine die als Nachtlager gut geeignet wäre.
In Bosnien und Herzegowina gibt es leider noch viele Minen aus vergangenen Kriegen. Auch wenn fast alle Minenfelder gut gekennzeichnet sind, sollte man immer Vorsicht walten lassen! Wir sehen auf dem Weg zu der Ruine und auch im Inneren relativ viel Müll und Spuren von Menschen. Daher sind wir uns sicher, dass dieser Ort für eine Übernachtung geeignet ist. Wir schlagen unser Zelt in einem der Räume auf und kochen uns eine große Portion Spagetthi, während es langsam anfängt zu regnen.
Nicht wissend, was uns morgen bevorstehen soll, schlafen wir gemütlich ein…
Der härteste Tag unserer Reise
Morgens regnet es immer noch ein bisschen und wir sind froh, überdacht frühstücken zu können. Im Trockenen packen wir dann auch unsere Ausrüstung zusammen und ziehen unsere Regensachen an. Kurz nachdem wir los sind, verlassen wir die Hochebene und es geht ungefähr 10 km bergauf. Es regnet die ganze Zeit, aber noch halten unsere Regensachen dicht. Als wir uns endlich den Berg hochgekämpft haben, fängt es langsam an heftiger zu regnen. Nach ein paar hundert Metern geht es nochmal leicht bergauf und plötzlich endet die geteerte Straße. Wir kämpfen uns jetzt eine Schotterpiste hoch und die braunen Rinnsale spülen uns den Sand entgegen. Wir müssen ungefähr 1 km so weiterfahren und gelangen dann, in strömenden Regen auf die andere Seite des Berges. Jetzt geht es bergab und wir fahren mit angezogenen Bremsen durch den Regen, die sich bildenden Bäche und schlammige Pfützen. Der Wind frischt immer mehr auf und langsam drückt die Feuchtigkeit durch unsere Klamotten. Unsere Schuhe haben den Kampf gegen die Nässe schon vor ein paar Kilometern verloren und weit und breit ist kein Zufluchtsort zu finden.
Langsam fängt es an zu Hageln und nach kurzer Zeit gibt es einen Mix aus Regen, Schnee und Hagel. Nach ungefähr 3 km ist die Abfahrt geschafft und wir sind im Tal des Blidinje-Sees, dem größten Gebirgssee in Bosnien und Herzegowina. Der Wind peitscht uns entgegen und kühlt uns immer weiter aus. Wir kämpfen weiter und Michel schreit in den Wind hinein: “Verdammt wir müssen hier sofort raus!”. Das wissen wir beide und hoffnungsvoll versuchen wir in dem Unwetter einen schützenden Platz zu erspähen – nichts. Nach ungefähr 5 Minuten sehen wir auf der linken Seite, etwa 200 m von der Straße entferrnt, eine kleine Hütte. Ein paar Meter später auch den Weg, der dort hin führt. Unter dem Vordach der Hütte finden wir vorerst Unterschlupf. Hier wird gerade renoviert, aber die Tür ist verschlossen und niemand ist da. Schnell ziehen wir unsere nassen Klamotten aus und ziehen uns neue, trockene an. Dazu genehmigen wir uns ein paar Schlücke Vodka aus dem Flachmann – schon besser! Ein Hund kommt zu uns gelaufen; dieser scheint aber auch keinen Besitzer zu haben und sucht ebenfalls Zuflucht unter dem Vordach. In dem Plumpsklo neben dem Haus finden wir besseren Schutz vor dem immer heftiger werdenden Schneesturm. Wir kochen uns einen Tee und wärmen uns an unserem Campingkocher langsam wieder auf. Wohlgemerkt es ist gerade erst 11 Uhr morgens und wir wissen nicht so recht was wir nun machen sollen…
Plötzlich sehen wir wie ein Jeep vor die Hütte fährt und ein Mann aussteigt. Er fängt an uns zuzurufen, aber wir verstehen kein Wort. Er kommt zu uns, holt sein Handy raus und mithilfe einer Übersetzungsapp macht er uns verständlich, dass wir mit ihm kommen sollen. Er habe ein warmes Haus, nur ungefähr 3 km weiter die Straße runter. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen! Wir schieben schnell unsere Räder hinter das Haus und steigen in seinen Wagen ein.
Gerettet!
Der Mann ist ein Handwerker, der mit Stefan und seinen Kollegen eine Berghütte renoviert. Stefan ist der Boss der Truppe, kommt aus Tomislavgrad und hat jahrelang in der Schweiz gearbeitet. Daher spricht er perfekt Deutsch und wir können uns gut mit ihm unterhalten. Er erzählt uns, er habe uns heute morgen gesehen, wie wir den Berg hochgefahren sind. Deshalb hat er seinen Leuten angeordnet, sie sollen immer mal einen Blick auf die Straße werfen, um zu sehen ob wir hier langkommen und alles okay bei uns ist. Als er jedoch gemerkt hat, dass wir nicht ankommen, hat er einen seiner Jungs losgeschickt um uns zu finden.
Wir sind so unglaublich glücklich und überwältigt von dieser Fürsorge – vielen Dank Stefan! Uns wird direkt Bier und Schnaps angeboten (Kurz vor 12 Uhr) und gemeinsam essen wir zu Mittag. Wir dürfen gerne den ganzen Tag hier bleiben und wenn wir wollen, auch in einem der Gästebetten schlafen. Das Angebot nehmen wir überglücklich an und verbringen einen sehr gemütlichen Tag vor dem wärmenden Holzofen. Zwischendurch holen wir noch unsere Räder und gegen Abend verabschiedet sich die Truppe und überlasst uns die Hütte. Erschöpft legen wir uns in eines der Betten und schlafen schnell ein…
Zurück in die Zivilisation
Morgens machen wir uns gemütlich ein Frühstück und packen wieder unsere Sachen. Es schneit nicht mehr, die Sonne scheint und die Landschaften liegen unter dem Weiß des gestrigen Schneesturmes. Gegen 9 Uhr kommt Stefan nochmal vorbei und wir verabschieden uns herzlichst von ihm. Wir fahren durch die wunderschönen Schneelandschaften Richtung Jablanica. Am Anfang ist es teilweise recht rutschig und wir müssen sehr langsam fahren. Auch ist die Straße zum Teil immernoch Schotterpiste so dass wir nur langsam voran kommen. Dafür genießen wir die Landschaft und die Ruhe umso mehr. Nach ungefähr 8 km geht es die restlichen 25 km bis nach Jablanica bergab. Als wir dort ankommen, sind wir ca. 1000 Höhenmeter runtergefahren und von dem Schnee ist nichts mehr zu sehen. Wir schauen uns die berühmte, zerstörte Eisenbahnbrücke aus dem zweiten Weltkrieg an und fahren gegen Abend ein kleines Stück aus der Stadt heraus und schlagen unser Zelt an einer kleinen Seitenstraße auf.
Nach Mostar und Medugorje
Auf dem Weg nach Mostar treffen wir Yong, einen Malaysier der mit seinem Rad von Istanbul bis in die Schweiz zu seiner Frau fährt. Wir unterhalten uns kurz und tauschen uns über geeignete Routen aus. Er fährt in die entgegengesetzte Richtung nach Sarajewo und kommt aus Dubrovnik. Toll nach diesen harten Tagen nochmal einen anderen Radreisenden zu treffen und sich auszutauschen!
In Mostar treffen wir uns mit Mehmet, der uns über Couchsurfing für 2 Tage in seiner Wohnung beherbergt. Wir schauen uns die schöne Altstadt an und haben mit ihm und ein paar anderen Couchsurfern eine coole Zeit!
Von Mostar aus fahren wir Richtung Blagaj und schauen uns dort die berühmte Karstquelle Vrelo Bune des Flusses Buna und das dort gelegene Derwisch-Kloster an. Danach gehts weiter in die Stadt Medugorje. Internationale Bekanntheit erreichte die Stadt durch Ereignisse seit den 1980er Jahren, bei denen Jugendliche von Marienerscheinungen berichten. Wir haben nichts dergleichen gesehen und fahren weiter Richtung Dubrovnik.
Nach Dubrovnik und wieder zurück nach Bosnien und Herzegowina!
Wir fahren parallel zur kroatischen Grenze durch ehemaliges Kriegsgebiet. Hier stehen unendlich viele Ruinen und sogar ganze zerbombte Städte in die nie wieder ein Mensch zurück kam. Ziemlich traurig und sehr berührend. Die einzigartige Landschaft bildet einen harten Kontrast zu diesem hier verursachten Leid, welches noch nicht sehr lange zurückliegt. Wir kommen in dem kleinen Dorf Hum an und begeben uns auf die Suche nach Wasser. Den einzigen Menschen den wir hier noch finden, ist der Bürgermeister selbst – fast alle anderen sind vor Jahren geflohen.
Nachdem wir ein kleines Stückchen weiter Richtung Grenze zu Kroatien gefahren sind, tauchen wieder viele Minenschilder auf. Verdammt wir wollen hier doch irgendwo unser Zelt aufschlagen! Glücklicherweise finden wir ein paar Kilometer weiter einen Friedhof mit großen Parkplatz. Hier stellen wir unser Zelt auf und verbringen unsere vorerst letzte Nacht in Bosnien und Herzegowina. Wir liegen noch im Zelt und denken daran, wie freundlich und hilfsbereit die Menschen hier waren – uns hat dieses Land definitiv sehr gut gefallen!
Am nächsten Tag überqueren wir die Grenze zu Kroatien und fahren nach Dubrovnik, wo wir Michels Eltern treffen und gemeinsam eine Woche Urlaub machen! Wir machen Sightseeing und besuchen unter anderem das einzige vegetarisch/vegane Restaurant in Dubrovnik; das Nishta. Achja, das Restaurant gehört übrigens Stefans Tochter! Er hat es uns empfohlen, als wir bei ihm auf der Berghütte waren – die Welt ist so verdammt klein! 😀
Nach der wundervollen und sehr erholsamen Zeit in Dubrovnik kehren auf dem gleichen Weg, den wir gekommen sind, zurück nach Bosnien und Herzegowina. Ungefähr 20 km vor der Grenze zu Montenegro schlagen wir unser Zelt auf und sind glücklich wieder in unserem “Zuhause” zu schlafen…
Ein an sich informativer Bericht mit guten Bescheibungen. Leider ist die bewertende Aussage zu den Marienerscheinungen in Medjugorje voellig unangemessen und verletzt religioese Empfindungen. Mit der spoettischen Bemerkung sollen offensichtlich die Erfahrungen Menschen vorort, aber auch zahlloser Pilger in Zweifel gezogen werden. Dabei haetten die Verfasser die Moeglichkeit gehabt, sich mit den Geschnissen intensiver zu befassen und dann vieleicht die besondere Naehe Gottes und Mariens, die viele Menschen gerade in Medjugorje erfahren, selbst zu erleben.
Ich bin ganz deiner Meinung Bernhard.
Mein Mann und ich fahren gerade wegen Medjugorie mit dem Rad von Bocholt nach Bosnien-Herzegowia.
Am 14.6.2019 geht es los. 😉
Ich finde Euren Bericht sehr gut und habe in Bosnien ähnlich positive Erfahrungen gemacht – leider nicht per Fahrrad. Wir mussten damals in Mostar zum Doktor – ein wahnsinnig netter Mensch, der für seine Behandlung partout kein Geld wollte.
Die, die sich durch Eure harmlose Bemerkung über Marienerscheinungen in ihrer Religiosität getroffen fühlen, müssen ideologisch echt krass unterwegs sein… Ein von mir geschätzter Altbundeskanzler hätte dazu folgendes angemerkt: “Wer Erscheinungen hat sollte zum Arzt gehen”.
Liebe Grüße